Das sind ja Erwachsene
Die Tanzperformance „Flip Flop“ von Nasheeka Nedsreal und dem Theater o.N. feiert die Grenzen sprengende Kraft des Spiels
von Celine Rose
Prenzlauer Berg im November, ein regnerischer, kühler Tag. Aus allen Richtungen kommen leuchtende Kinderaugen in den Raum. Ist es Vorfreude oder Aufregung? Das lässt sich nicht genau sagen – vielleicht beides. Die jungen Zuschauer:innen und ihre Begleitpersonen strömen zahlreich ins Theater o.N., ein kleines Haus mit ganz viel Charme. Bevor es los geht eine kleine Stärkung von der Theater-Theke, dann kann das Publikum in den Zuschauerraum eintreten.
Dort sieht es Performer:innen, die wie Kinder auf der Bühne spielen. Kinderlachen breitet sich aus. Im Stück wird es nie ganz dunkel, sodass man immer ein Teil vom Ganzen ist. „Flip Flop““ heißt die Performance von Nasheeka Nedsreal & dem Theater o.N. Am Abend vor der Aufführung wurde die Eigenproduktion des Berliner Kinder- und Jugendtheaters mit dem renommierten Ikarus Preis im Bereich Kindertheater ausgezeichnet. Das Stück ist eine Tanzperformance für Kinder ab zwei Jahren. In ihr verwischen die Grenzen zwischen dem Kind- und dem Erwachsensein. Sie zeigt die Spielfreudigkeit, die in Menschen steckt – auch, wenn sie kein Kind mehr sind.
Die Bühne ist ganz weiß und die beiden Performer:innen Nasheeka Nedsreal und Guilherme Morais haben sichtlichen Spaß. In einem Moment versteckten sie sich in ihren Kostümen, im anderen kommen sie mit langen Tentakeln wieder zum Vorschein, Arme und Beine in einer langen Socke gefangen. Damit bewegen sie sich komplett frei und verknoten sich am Ende. Sie brauchen Hilfe aus dem Publikum. Etwas schüchtern nähert sich ein Junge und versucht zu helfen. Die Rettungsaktion gelingt. Die Performer:innen befreien sich von ihren langen Tentakeln und suchen Schutz in einer der Aufbewahrungsboxen, die sehr an die Ästhetik von „Ikea“-Produkten erinnert. In dem Moment hört man einen Kommentar aus dem Publikum „Puh, das war bestimmt anstrengend!“, sagt ein Junge erschöpft.
Es ist spannend zu sehen, wie die Kinder die ganze Zeit über mitfühlen und aufmerksam zuschauen. Die Performer:innen verschwinden mitunter in ihren Requisiten, springen hinein. Plötzlich werden sie zu einer langen Figur. Beinahe ein Wurm. Ich fühle mich bestätigt. Es sind die Tunnel von „Ikea“. Kindheitserinnerungen kommen hoch: Wie ich früher in den eingerichteten Räumen jeden Tunnel erkundet habe. „Ikea“ war nicht nur ein Möbelhaus für uns. Nein, es war das Kinderparadies.
Mit den Tunneln, die quer über die Bühne laufen, bauen die Performer:innen kleine Spielplatze – so, dass man am liebsten selbst mitmachen will. Eine Szene erinnert an die Teletubbies, als sie die Klamotten, die auf der Bühne verteilt liegen, aufsaugen und dabei freudige Tone von sich geben. Nicht nur das körperliche Spiel steht im Vordergrund, auch musikalisch bietet die Aufführung viel. Die Performer:innen machen eigene Rhythmen und wiederholen sie mehrfach. Ein richtiger Ohrwurm ist das Ende: Während der musikalischen Einlage benutzen sie ihren ganzen Körper. Eine spielerische Art, wie man Musik in den Körper übersetzen kann.
So viel Abwechslung in einem Stück! Am Ende dürfen die Kinder selbst aktiv werden und erkunden die Landschaft voll mit Tunneln und den „mega coolen“ Socken – so ist es aus der jungen Zuschauer:innenschaft zu hören. Eine kleine Reise raus aus dem Alltag und zurück in die fantasievolle Welt der Kinder. Da hat man direkt nochmal Lust ein Kind zu sein – oder steckt das Kind immer noch in uns und wir müssen es nur wieder entdecken? Den Ikarus Preis hat das Stück in jedem Fall zurecht erhalten.